Nagelplatten

kgsNaKon3D -
Aussteifung von Nagelplattenkonstruktionen

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Mit dem Statikprogramm kgsNaKon3D kann die räumliche Aussteifung von Nagelplattenkonstruktionen auf der Grundlage des Berichtes von Kessel und Kühl (2011) berechnet und nach DIN EN 1995-1-1 mit deutschem nationalem Anhang bemessen werden. Dazu stehen Module zur Berechnung folgender Binderformen zur Verfügung:

  • Flachdachbinder
  • Pultdachbinder
  • Flachdach- und Pultdachbinder mit symmetrisch unterspannten Verbänden
  • Symmetrischer Satteldachbinder
  • Symmetrischer Satteldachbinder mit Windrispenanschluss unterhalb des Firstes
  • Symmetrischer Satteldachbinder ohne Windrispen - QDAS
  • Symmetrisch auskragender Satteldachbinder bzw. Satteldachbinder mit Anfangshöhe
  • Symmetrischer Trapezdachbinder
  • Füllstabbemessung mit einer und zwei Innenabstützungen

Für diese Binderformen werden alle zur Aussteifung erforderlichen Bauteile wie Dachlatten, Windrispen und Bohlen bemessen. Für Bauteile, die mit Nagelplattenprogrammen bemessen werden können, wie z.B. für die Obergurtverbände und die Windböcke, werden die aus ihrer aussteifenden Wirkung resultierenden Lasten angegeben.

Die Beanspruchungen der Dachlatten, die sich aus der Abstützung der Obergurte in Form einer elastischen Bettung ergeben, werden nach Theorie II. Ordnung im Sinne einer genaueren Berechnung ermittelt. Die Ergebnisse erlauben in der Regel eine wirtschaftlichere Bemessung der Dachlatten als mit der Abschätzung N/50 der DIN EN 1995-1-1. Als Abstützungsart kann zwischen "Dachlatten", "Dachschalung" und "Beplankung" gewählt werden. Auch eine tragende oder nichttragende Konterlattenebene kann berücksichtigt werden. Des weiteren werden genauere Knicknachweise der Obergurte nach Theorie II. Ordnung geführt, die eine wirtschaftlichere Bemessung erlauben.

In den Nachweisen der Windrispen, Bohlen und Windböcke wird neben der Steifigkeit sämtlicher Anschlüsse, auch ein Windrispendurchhang und eine Temperaturdehnung der Windrispen berücksichtigt.

Hier finden Sie eine Beispielrechnung mit kgsNaKon3D.

Weitere ausführliche Informationen zu Beispielrechnungen und den Lizenzgebühren erhalten Sie unter info@kgsnakon3d.de
oder 05121 / 919940.

Aussteifung von Nagelplattenkonstruktionen

Bild_Forschungsbericht Nagelplattenkonstruktionen

VORWORT

Die Tragwerksplanung von Nagelplattenkonstruktionen bis 40 Meter Spannweite ist von der besonders wirtschaftlichen Möglichkeit geprägt, ebene Stabwerke, so genannte Nagelplattenbinder, fast beliebiger Gestalt im Werk vorfertigen zu können. Dementsprechend ist es Strategie der Planer, jede Konstruktion so zu gestalten, dass sie im Wesentlichen nur aus solchen ebenen Bindern besteht. Die für jede tragende Konstruktion aus Gründen der Sicherheit erforderliche statische Planung behandelt bis heute fast ausschließlich die Gegenüberstellung der Beanspruchungen und Beanspruchbarkeiten dieser ebenen Binder. Ihre Geometrie wird auf den Millimeter genau geplant und in Zeichnungen ausführlich erläutert, da die Fertigungsanlagen im Werk solche Genauigkeit zulassen und fordern. Darüber, wie diese Binder auf der Baustelle zu einer letztlich räumlichen Struktur zusammenzufügen sind, und darüber, dass im räumlichen Zusammenwirken der Binder zusätzliche Beanspruchungen entstehen, ist bis heute in der Planung wenig zu finden. Für diese zusätzlichen Beanspruchungen, die meist als Aussteifungskräfte bezeichnet werden, müssen Beanspruchbarkeiten geschaffen werden, die der ebene Binder allein gar nicht besitzt. Das, was darüber in der statischen Planung zu finden ist, ist in der Regel entweder von Nachlässigkeit oder von Unsicherheit des Tragwerksplaners gekennzeichnet.

Der Tragwerksplaner, der im Rahmen seiner Planungstätigkeit die "Aussteifung" der Tragkonstruktion oder einzelner Bauteile als Teilproblem, vielleicht sogar als nachgeordnetes Teilproblem behandelt und dabei vielleicht noch unsicher ist, folgt einem Denkmuster, das ihm an Fachhochschulen und Universitäten gelehrt wurde. Dieses Denkmuster entwickelte sich aus einer Lehre der Baustatik, die sich fast ausschließlich mit dem geraden Stab, ebenen Stabwerken und ebenen Scheiben und Platten beschäftigt. Räumliche Faltwerke und Schalen werden meistens nur als Sonderkonstruktionen für besonders Interessierte gelehrt und räumliche Stabwerke so gut wie gar nicht. Die fast ausschließliche Behandlung ein- und zweidimensionaler Tragwerksmodelle bewirkt bei den Studierenden nachhaltig — für ihr ganzes Ingenieurleben — die Überzeugung, dass die Strukturen, die diese statischen Modelle beschreiben sollen, die ausschließlichen, zumindest aber hauptsächlichen tragenden Strukturen seien.

Diese so modellierten Strukturen sind trotz der zur Berechnung ihrer Beanspruchungen und Beanspruchbarkeiten angewendeten wissenschaftlich begründeten Methoden nicht in der Lage, den Raum zu überspannen, dessen Schaffung die Aufgabe des Tragwerksplaners ist. Einfacher gesagt, sie sind nicht in der Lage, auch nur ein einziges Kilonewton, ja nicht einmal sich selbst zu tragen — auch nicht in aufgerichteter Position. Wir leben eben nicht in einem ein- oder zweidimensionalen, sondern in einem dreidimensionalen Raum, in dem es zum einen Einwirkungen in allen drei Richtungen gibt und zum anderen alle unsere Gegenstände Körper, Baukörper sind, also dreidimensional, und diese Körper die inhärente Eigenschaft besitzen, imperfekt zu sein — im Sinne von nicht perfekt gerade, nicht perfekt eben -, denn sie werden von Menschenhand hergestellt.

Diese ebenen Strukturen werden durch Wind und durch Auswirkungen von Exzentrizitäten und Imperfektionen nicht nur in ihrer Ebene, sondern immer auch senkrecht zu ihrer Ebene beansprucht. Die diese Beanspruchungen verursachenden Kräfte und Momente sind zwar in der Größenordnung einer Zehnerpotenz kleiner als die Kräfte und Momente, die in der Ebene der Binder wirken. Gerade diese Kleinheit darf jedoch nicht dazu verleiten, sie als weniger bedeutend zu bewerten und schließlich außer Acht zu lassen. Die kleinen Kräfte und Momente können nämlich wegen der vorhandenen kleineren Querschnittsabmessungen übermäßige Verformungen und ebenso große Beanspruchungen verursachen wie die in der Ebene der Binder wirkenden großen Kräfte und Momente, denen gerne das ausschließliche Augenmerk gewidmet wird.

Im Gegensatz zur geschilderten aktuellen Planungspraxis ist in der vorliegenden Arbeit die Räumlichkeit der Nagelplattenkonstruktionen Ausgangspunkt aller Betrachtungen. Das der Arbeit zugrunde liegende Konzept besteht nicht darin, aus vorgefertigten ebenen Bindern eine räumliche Struktur mit zufälligen statischen Eigenschaften zu schaffen, sondern ein räumliches Tragwerk mit definierten statischen Eigenschaften bestmöglich in ebene Binder zu zerlegen, die sich vorfertigen lassen. Die vorliegende Arbeit versucht also einen Paradigmenwechsel in der Arbeit des Tragwerksplaners.

Der theoretisch interessierte Leser sei noch darauf hingewiesen, dass in der Methode der Berechnung der Aussteifungskräfte nicht vom Gleichgewicht am verformten, sondern am imperfekten statischen Modell ausgegangen wird. Die zusätzlichen elastischen Verformungen werden dann näherungsweise dadurch berücksichtigt, dass sie zum Zweck der Superposition als affin zu den angenommenen Imperfektionen betrachtet werden. Die Grenzen dieser Näherung werden im Einzelnen herausgestellt.

Den möglichen zufälligen und systematischen Imperfektionen und der Kontrolle von Schrägstellungen wird in dieser Arbeit ein eigener Abschnitt gewidmet. Der Zusammenhang von Imperfektion und Eigenformen des statischen Modells wird hergestellt.

Darüber hinaus stellt die vorliegende Arbeit einen Versuch dar, die zuvor genannten räumlichen Beanspruchungen, insbesondere die durch Auswirkungen von Imperfektionen verursachten Beanspruchungen, systematisch und möglichst anschaulich zu beschreiben. Dies geschieht in einem ersten mehr theoretischen Teil der Arbeit, der in seiner räumlichen Betrachtungsweise aufbaut auf den Arbeiten von Zietz (1978) und Kessel (1985, 1996 und 2007). Der umfangreiche zweite Teil der Arbeit erläutert das räumliche Planungskonzept für die am häufigsten verwendeten Binderformen.

Die erläuterten Berechnungen sind vollständig, da darin alle tragenden Bauteile, ihre Verbindungen und ihr räumliches Zusammenwirken behandelt werden. Die Berechnungen sind konsistent, da Rückkopplungen berücksichtigt werden, die darin bestehen, dass sich die Steifigkeit jedes gewählten Bauteilquerschnitts oder jeder gewählten Verbindung auf die Größe der verformungsabhängigen Beanspruchungen der Tragwerksteile auswirkt. Die Regeln, die in dieser Arbeit entwickelt werden und den erläuterten Beispielen zugrunde liegen, weichen in einzelnen begründeten Fällen im Sinne von "genaueren Regeln" von den "vereinfachten" und unvollständigen Regeln der DIN 1052:2008-12 ab. Die Anwendung der vereinfachten Regeln der Norm führen zu Fehleinschätzungen der Beanspruchungen und Beanspruchbarkeiten des Tragwerks. Nagelplattenkonstruktionen liegen in der Regel außerhalb des Anwendungsbereiches der Regel (5) im Anhang E.2 der DIN 1052:2008-12.

Die vorliegende Arbeit entstand im Auftrag der GIN Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte e.V. und Interessenverband Nagelplatten e.V. in den Jahren 2008 — 2010. Für die 7 Dachtragwerke, die im Abschnitt 13 als Beispiele bearbeitet wurden, stellte der Technische Ausschuss der GIN die Planungsunterlagen zur Verfügung. Es handelt sich dabei um bereits ausgeführte Projekte. Der Technische Ausschuss begleitete diese Arbeit in mehreren Arbeitssitzungen, wobei er die praktische Anwendbarkeit und natürlich auch Wirtschaftlichkeit der Berechnungsregeln prüfte. Für die vielen technischen Hinweise und Erfahrungsberichte aus der Anwendungspraxis möchten sich die Autoren bei den Mitgliedern des Technischen Ausschusses ganz besonders bedanken.

Aussteifung von Nagelplattenkonstruktionen ohne Windrispen QDAS

Dachtragwerke aus Holz in Nagelplattenbauart bestehen aus filigranen räumlichen Fachwerkstrukturen mit großer Steifigkeit und Tragfähigkeit. Ihre Primärtragsysteme sind ebene Fachwerke, Fachwerkbinder (Nagelplattenbinder), deren Fachwerkstäbe aus getrocknetem Bauschnittholz hergestellt und in den Knoten durch beidseitig von außen eingepresste Nagelplatten verbunden werden. Dächer dieser Bauart bestehen zusätzlich aus Fachwerken senkrecht zu diesen Ebenen, die dann ein räumliches Sekundärtragsystem bilden. Ein Teil dieser zusätzlichen Fachwerke werden traditionell erst auf der Baustelle aus Einzelstäben zusammengebaut. Für die Diagonalen eines Teils der in der Dachebene liegenden Fachwerke werden Holzbohlen, vom Zimmermann handwerklich als Windrispen bezeichnet, oder in den letzten Jahrzehnten gekreuzte Stahlbänder, in Anlehnung an den Traditionsbegriff als Windrispenbänder bezeichnet, verwendet.

Es war die Idee von Vitus Rottmüller aus Bruckberg, auf die in der Dachebene liegenden Fachwerke mit Diagonalen aus Windrispen zu verzichten und sie ebenso wie alle anderen Fachwerke senkrecht zu den Ebenen der Primärtragsysteme durch Fachwerke in Nagelplattenbauart zu ersetzen (bauen mit holz 6/2008). Das Sekundärtragsystem dieser von Rottmüller als QDAS bezeichneten Bauart ohne Verwendung von Windrispen wird dadurch geprägt, dass Fachwerke, sogenannte Längsverbände, über die gesamte Dachlänge durchlaufen, die sich auf Fachwerke abstützen, die in der Untergurtebene über die gesamte Dachbreite gespannt sind.

Grundlage der vorliegenden Arbeit ist der von den Autoren verfasste Bericht "Aussteifung von Nagelplattenkonstruktionen", der im Jahre 2011 als Band 24 der Reihe Wissenschaft des IRB-Verlages erschienen ist. Die in diesem Bericht definierten Begriffe, die dort getroffenen Annahmen, die dort verwendeten Lösungsverfahren und so weit möglich die dort beschriebenen Forschungsergebnisse wurden in die vorliegende Arbeit übertragen und verwendet.

Die vorliegende Arbeit entstand im Auftrag der MiTek Industries GmbH in den Jahren 2011 - 2012. Für das Dachtragwerk, das im Abschnitt 10 als Beispiel bearbeitet wurde, stellte Herr Rottmüller die Planungsunterlagen zur Verfügung. Es handelt sich dabei um ein bereits ausgeführtes Projekt. Die Autoren möchten sich bei Herrn Rottmüller für die Unterstützung und gute Zusammenarbeit ganz besonders bedanken.

Nachweis der Unempfindlichkeit von symmetrischen Satteldächern mit Windrispen und Pultdächern in Nagelplattenbauart gegenüber lokalem Versagen – Robustheit –

Die Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz (ARGEBAU) hat im Februar 2011 „Hinweise zur Planung und Ausführung von Nagelplattenkonstruktionen sowie Anmerkungen zur Prüfung der Standsicherheitsnachweise und Überwachung der Bauausführung“ veröffentlicht. Anlass waren die in der jüngeren Vergangenheit bei Inspektionen von Nagelplattenkonstruktionen sowie im Zusammenhang mit Schadensfällen wiederholt festgestellten Unzulänglichkeiten bei der Planung, Prüfung, Ausführung und Instandhaltung von Nagelplattenkonstruktionen. Weiter heißt es dort: „Diese Hinweise sollen die am Bau Beteiligten sensibilisieren und darin unterstützen, qualitativ hochwertige und robuste Nagelplattenkonstruktionen des Ingenieurholzbaus zu schaffen.“

Die Fachkommission Bautechnik leitet ihre Forderungen zur Verbesserung der Robustheit aus der harmonisierten Norm DIN EN 1990:2002-10 „Eurocode: Grundlagen der Tragwerksplanung“ ab. Dort wird nach Ansicht der Fachkommission in Abschnitt 2.1 gefordert „dass es nicht bereits im Falle einer lokalen Schädigung zum (großflächigen) Einsturz der Konstruktionen kommen darf.“

Für die hier behandelten Dachkonstruktionen in Nagelplattenbauart mit einem klassischen Aussteifungssystem, bestehend aus ebenen Verbänden und Windrispen, wird vorgeschlagen, ihre Robustheit dadurch zu verbessern, dass die Redundanz der Dachkonstruktion erhöht wird, indem z. B. „die Tragelemente der Dachkonstruktion sowie deren Anschlüsse und Stöße so ausgeführt werden, dass bei einem plötzlichen Ausfall eines Haupttragelements die Lasten umgelagert werden können.“

Nach einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Abschnitt 2.1 in DIN EN 1990:2002-10 werden in diesem Bericht für lokales Versagen, verursacht durch menschliches Versagen, dem Vorschlag der Fachkommission Bautechnik folgend die Möglichkeiten der Lastumlagerung über alternative Lastpfade untersucht.